17.10.2013

17. Oktober 2013-Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen:


"Regionales Logistikkonzept der Stadt Köln", Bürgerbeteiligung am 15. Oktober 2013
Kritische Anmerkungen aus Sicht Aktionsgemeinschaft Contra Hafenausbau Godorf



Hintergrund

Vor etwa 3 Jahren haben Mitglieder der Aktionsgemeinschaft Contra Godorfer Hafen die Idee entwickelt, die frühere Güterverkehrsrunde wieder aufleben zu lassen, um höhere Faktensicherheit für die Diskussion um den Hafenausbau in Godorf zu erreichen. Anstoß gab die Initiative von Paul Bauwens- Adenauer zur Entwicklung des Städtebaulichen Masterplans. Das hat Maßstäbe gesetzt nicht nur in
der Art, wie ein fundierter Maßanzug für Köln erarbeitet wurde sondern auch in Bezug auf die Bürgerbeteiligung im Projektverlauf. Die Grünen und die FDP griffen die Idee auf und am 2. Februar 2010 beschloss der Rat, diese ehemalige Runde als "Logistikforum Köln" auf die Schienen zu setzen. Nach 12 Monaten Projektarbeit liegt nun das fertige Modul I vor, der "analytisch-prognostische" Teil. ModulII mit den Arbeitspakten "Leitlinien" und "Konzept" soll Anfang 2014 folgen.

Genereller Eindruck

1. Studie: Die vorgestellten Abschluss-Ergebnisse des Moduls I sind enttäuschend. Wenn man die Beratungs-Leistung pauschal benoten will, ist das höchstens eine 4-5 wert. Weder wurden klare Ziele für die Studie erarbeitet, noch die Beratungs-Erkenntnisse aus immerhin 12 Monaten in ein auf Köln zugeschnittenes Schema nach Prioritäten eingeordnet.
Erarbeitet wurde also kein spezifischer Maßanzug für eine künftige Kölner Güterverkehrs-Logistik. Was vorliegt ist die eher buchhalterische Abarbeitung der Gliederungspunkte aus Logistik-Lehrbüchern und die Ausstattung mit örtlichen Zahlen und Abbildungen. Letztere waren noch nicht einmal solide überprüft und mit Quellenangaben versehen.
2. Veranstaltung: Die "Bürgerbeteiligung" litt unter dem altbekannten Problem, dass Berater und mehr oder minder offizielle Autoritäten viel redeten aber wenig Substantielles beitrugen. Dem eigentlichen Zweck der Veranstaltung, Feedback von den Bürgern einzuholen, wurde die Zeit entzogen. Einzige Ausnahme war der Dezernent für Stadtentwicklung Franz-Josef Höing, der in kurzen und durchaus auch selbstkritischen Sätzen erklärte, worum es ihm vor allem geht, nämlich Transparenz der Fakten und unbeschränkte regionale Sicht.

Container-Logistik

Zur Wertung konzentrieren wir uns hier auf das hafen-relevante Kapitel 5 der Studie (Folien 16-18), das wir aus fachlicher Sicht überblicken können. :
1. Vermisst wurden hier Ziele und besonders eine Aussage darüber, welches Gewicht Erhaltung der vorhandenen Substanz und Erweiterung haben sollen. Viele Erweiterungen sind aus Lobby-Sicht wünschenswert aber nicht unbedingt wichtig und dringlich.
2. Unzutreffende Kern-Aussage No. 5: "Wachstum im Containerverkehr auf der Wasserstraße erfordert Infrastrukturerweiterungen" geht an der Realität vorbei und ist wertlos: Es geht nicht pauschal um "Wachstum" des Containerverkehrs sondern darum, ob regionale Terminalkapazitäten an den Zielzustand 2030 angepasst - und ggf. erweitert - werden müssen. Ganz abgesehen davon werden Container in der Region nur zu 15 % per "Wasserstrassen" aber zu 85 % per Bahn und LKW transportiert. Hier wird die bekannte Hafenlastigkeit der Kölner Diskussion ungefiltert weitergereicht.
3. Unkritische Übernahme von Wachstumsannahmen: Als Wachstumsrate wird für den Containerverkehr
auf Folie 10 lapidar +216 % bis 2030 genannt (ohne Quelle), also eine Rate von +6 % p. a. oder eine Verdreifachung in 20 Jahren.

a. Diese Größenordnung wurde so in den Boomjahren bis 2007 von der Fachwelt akzeptiert, also vor der globalen Flaute aufgrund der Schuldenkrise ab 2008. Jetzt wäre aber eine Neubewertung fällig, denn die Flaute vor allem in den Schwellenländern hat auch den Containermarkt dramatisch erfasst und auch im Hafen Niehl stagniert der Container-Umschlag jetzt schon im 6. Jahr.
b. Jetzt ist doch zu klären: Ist die Prognose Verdreifachung Makulatur und muss man sich nicht der neuen Realität stellen? In Einer Planco Studie zur "Wettbewerbsfähigkeit der Binnenhäfen" vom Januar 2013 für das Bundesverkehrsministerium ist Planco schon deutlich vorsichtiger: Statt wie bisher in 10 Jahren soll sich jetzt erst in 15 Jahren bis 2025 der Umschlag per Schiff und Bahn in Köln Niehl+Godorf von 200.000 TEU auf 439.000 TEU verdoppeln (+119 %) Nach den Daten aus der Kölner Planco Studie 2012 müsste er sich dann in den kurzen 5 Restjahren bis 2030 auf 627.000 TEU noch mal fast verdoppeln. Planco erzählt also in Berlin heute eine deutlich moderatere Geschichte also zuvor in Köln. Hier passt einiges nicht zusammen und gehört längst auf den Prüfstand der Berater.
c. Auch zu dem Modalsplit steht da nur Altbekanntes. Hier gibt es jedoch aktuelle Veränderungen: Sind die Wirkungen der neuen Gotthartbahnlinie von Genua bis Rotterdam ab 2017, die Erweiterung der Betuwe-Linie von Rotterdam in das Ruhrgebiet und die Containerzüge aus China über die Transsibirische Bahn - bisher 3 pro Woche - berücksichtigt? Sind Bahnterminals also künftig vorrangig zu behandeln?
d. Effizienzsteigerungen als Stellschraube zur Kapazitätserweiterung kommen in der Studie nicht vor. Kein Wort wird verloren über den Ausbau von Reserven über die Steigerung der Effizienz der Kapazitäten innerhalb vorhandener Flächen in den kommenden 20 Jahren durch Automatisierung und Prozessverbesserungen.
e. Keine Silbe zu dem für Köln nicht relevanten aber die Infrastruktur belastenden Transitverkehr mit Containern. Wie groß ist der Anteil heute und in 20 Jahren und muss Köln mit seiner ohnehin überlasteten Infrastruktur nicht Prioritäten setzen für den regionalen Umschlag zur Standortsicherung der hiesigen Industrie und gegen den Durchgangsverkehr?
f. Nicht einmal der Untersuchungsraum ist sauber geklärt. Als würden sich Container von Stadtgrenzen aufhalten lassen, unterteilt die Studie in Terminals der "Stadt Köln" und in solche im Restgebiet im Süden mit Bonn und im Norden bis Krefeld. Was also ist die Kernregion, die für die Kölner Industrie relevant und zu optimieren ist? Bonn gehört sicher dazu, aber Düren, Neuss und Krefeld??
g. Über den Anpassungsbedarf bei Terminal-Kapazitäten für Container schweigt das Gutachten komplett. Genannt werden die Ziel-Kapazitäten 2030 aber nicht der Bestand heute und wo der Hebel für Anpassungen anzusetzen ist. Das ist nicht nur handwerklicher Dilletantismus. Es ist auch deshalb unverständlich, weil im Vorgespräch mit den Beratern intensiv darauf eingegangen wurde, dass an vier Terminalstandorten Erweiterungen aktuell unterwegs sind: Fertig seit 2012 sind Bonn und Eifeltor, zur Zeit im Bau ist Köln-Nord und gutachterlich bestätigt und ohne behördlichen Vorlauf realisierbar ist die weitere Umrüstung für Container im Hafen Niehl wie bereits schrittweise 1984-2008.
h. Die Neutralität und Objektivität der Daten im Sinne des Gemeinwesens ist nicht gewährleistet. Als Datengrundlage wird pauschal auf die Planco Marktanalyse der Kölner Häfen aus 2012 verwiesen (Folie 18), obwohl jedem klar ist, dass es sich um das Gutachten eines interessengleiteten Investors handelt, der mit seinen Angaben behördliche und politische Hürden überwinden will. Hätte Albert Speer im Masterplan die Baupläne und Gutachten von Investoren zur Grundlage gemacht? Ganz sicher nicht.
i. Handwerkliche Mängel jede Menge. Es bleibt z. B. unklar, welche Verkehrsträger die Kapazitäts-Zahlen (Folie 17/18) beinhalten und aus welcher Quelle sie stammen. Jedenfalls sind die Zahlenangaben für Köln-Nord, Niehl I, Godorf und Bonn und für Bonn auch das Säulen-Diagramm (kein Wachstum, obwohl die Kapazität 2012 um das 2.5-fache erweitert wurde) nicht nachvollziehbar.

Fazit: Empfehlung heißt Abbruch des Projekts

Oben dargestellt sind nur 9 Schwachpunkte aus 3 Folien zum Thema Container-Logistik von insgesamt 29 Folien. Nach reichlichen 12 Monaten Untersuchungsarbeit konnte man erwarten, dass professionelle Berater zum Abschluss auch auf wenigen Seiten fundierten Zielkatalog, relevante Rahmenbedingungen und stimmige Zusammenhänge heraus kristallisieren und auch fehlerfrei und dokumentiert darstellen.
Messlatte zu hoch gelegt? Mit den Beratern ist ein Honorar von lediglich 156.000 ‚¬ (mit MwSt. 186.000 ‚¬) vereinbart. Unterstellt einen nicht allzu üppigen Tagessatz von ca. 1.500 ‚¬ reicht das gerade für 1 Berater ein halbes Jahr lang. Für ein solch komplexes Projekt keine adäquate Ausstattung.
Es bestehen zwei Möglichkeiten: Sofortiger Abbruch des Projekts oder Resignation, d.h. sich damit abfinden, dass das sog. analytisch-prognostische Modul I keine fundierte und robuste Basis für Empfehlungen sein kann. Am Ende bekommen wir in Modul II eine Liste kreativer Ideen aus dem Lehrbuch aber kein fachlich solide abgesichertes Konzept für die regionalen Besonderheiten, wie es z. B. der städtebauliche Masterplan war.

Daher unsere Empfehlung: Abbruch, ggf. Neuausschreibung statt Mittelmaß schlucken


Dieter Neef Helmut Feld
Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen