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Hochwasser oder was???

Ein Aspekt der vielfältigen Bedeutung der Sürther Rheinaue wurde in den letzten Jahren für viele Menschen sinnfällig deutlich: die Hochwässer der Winter 93/94 und 94/95 zeigten die Bedeutung der Aue als Überflutungsfläche. Die großen Wiesen- und Ackerflächen rechts des Sürther Leinpfades schützen den südlichen Teil Sürths, indem sie als Retentionsflächen große Wassermassen binden.

Aber das ist nur der kleinere Teil des Problems:

Die Godorfer Hafen-Legende oder Furchtbare Wirtschaft

Bei der deutsch-niederländischen Hochwasserkonferenz 2004 in Rees hatte die damalige Umweltministerin Barbel Höhn angesichts der düsteren Prognosen der Studie "Auswirkungen extremer Hochwässer am Niederrhein" gesagt:

" ...Wir wollen in einem solchen extremen Hochwasser-Fall wissen, was für Schäden zu erwarten sind und rechtzeitig vorher überlegen, wie wir mit möglichst geringem finanziellen Einsatz den Schaden möglichst minimieren können. Dabei geht es nicht darum, immer höhere Deiche zu bauen ...  sondern es geht insbesondere um Risikominimierung im Schadensfall. Die Hochwasserfibel für gefährdete Anwohner gehört ebenso dazu wie intelligente Katastrophenschutzpläne bezüglich der besonders gefährdeten aber auch gefährlichen Chemieanlagen und Raffinerien im Leverkusener-Kölner Raum. ..." 1)
 

Wahrscheinlich hat sich die Ministerin damals nicht im Traume einfallen lassen, was man in Köln daraus machen würde. Daß nämlich die Stadt, die Bezirksregierung Köln und die zu allem bereite Wissenschaft unter "intelligenter Risikominimierung" in einem eklatanten Anfall von Leichtsinn ihr Heil in der vorsätzlichen Risikovergrößerung suchen wird.

Obwohl den Tip mit dem möglichst geringen finanziellen Einsatz hat man in der Domstadt sehr gut verstanden: Bereitet doch der Verzicht auf eine umfassende und sorgfältige Katastrophenvorsorge die Basis für eine hervorragende Wirtschaftlichkeit, wie der Gutachter Baum herausgefunden zu haben glaubt.

Gewinne privatisieren, Risiken sozialisieren, so lautet die Devise. Nicht gerade neu.

Nur wollen die so vom sogenannten "Gemeinwohl" Bedrohten Widerstand leisten. Sie wollen nicht Geiseln einer ausschließlich am Gewinn orientierten Risikowirtschaft sein, die Naturreservate plattmacht und Hunderttausenden den erleichterten Verlust von Hab und Gut als Fortschritt verkaufen möchte.

Es gehört übrigens zu den vielen Denkwürdigkeiten des Vorgangs, daß ausgerechnet die Sozialdemokraten sich von Anfang an zu Protagonisten dieses zutiefst ausbeuterischen und inhumanen Projekts haben machen lassen. Und so ein gutes Gewissen, wie man den Menschen weismachen will, haben die Genossen keineswegs. Warum sonst verleumdet Johannes Waschek, HGK-Aufsichtsratsvorsitzender auf Parteibuchbasis, die Besorgnisse über unzulänglichen Katastrophenschutz als "hemmungslose Panikmache"?

 

Worum geht es eigentlich?

Die städtische Hafengesellschaft sagt, sie brauche einen neuen zweiten großen Containerhafen im Süden. Sie wird dabei von der IHK und der gleichgeschalteten örtlichen Presse nach Kräften unterstützt.

Man muß dazu wissen:

  • Der Niehler Hafen ist zum großen Teil zweckentfremdet.
  • Der Mülheimer Hafen wird nicht genutzt oder zum "Wohnen am Strom" umgewandelt.
  • Der Rheinauhafen wird zur Zeit zum feinsten Immobilienrenditeobjekt umgebaut.
  • Der Deutzer Hafen soll in Bälde folgen: "Rheinboulevard" davon träumt die Noblesse...
  • Der Godorfer Hafen hat einen mißglückten Start als Container-Terminal gerade hinter sich.

Es verwundert also nicht: Wenn man die Umschlagkapazitäten künstlich verknappt, weil man mit anderen Nutzungen mehr Geld machen kann, entsteht logischerweise ein Bedarf. Oder ein Mangel. Wie man es  nimmt.

Nur ist es gelogen, zu behaupten, die einzige Lösung sei nun die Konzentrierung des Containerumschlags in Godorf. Alternativen auf der Basis der bestehenden Anlagen wurden gar nicht erst ernsthaft erwogen.

 

Und es wird vollends kriminell, wenn man das Planungskind/das Vorhaben gegen alle Bedenken und Einwendungen als völlig harmlos hinstellt, ohne die Argumente sachlich widerlegen zu können.

Ganz unabhängig davon, ob es wirklich einen neuen Containerhafen braucht, ist nämlich der Standort Godorf nicht nur ungeeignet. Er ist eine Katastrophe. Oder wenigstens die Drohung einer Katastrophe für die ganze Stadt.

 

Das ist etwas umständlich zu erklären. Aber in der Konsequenz ganz logisch.

Zunächst einmal liegt das Plangebiet vollständig im gesetzlichen Überschwemmungsgebiet des Rheins. Laut Gesetz ist dort Bauen verboten. Sollte es doch bebaut werden, weil es dem Gemeinwohl dient und man staune - es keine zumutbaren Alternativen gibt, muß für den Ausgleich von Gefahrenerhöhungen an Ort und Stelle gesorgt werden. Geht das nicht, geht auch das Bauen nicht. Eigentlich ganz einfach. Denkt der Laie. Da gibt es aber noch die Genehmigungsbehörde, die Bezirksregierung mit dem Regierungspräsidenten an der Spitze, deren Genehmigungspraxis wenig mit dem geltenden Recht und noch weniger mit dem gesunden Menschenverstand zu tun hat.

 

Und das geht so:

1. Zum Herrichten einer Lagerfläche muß das Gelände planiert werden. Bei dieser Gelegenheit wird es gleich ein wenig angehoben. Das bedeutet Verlust von Retentionsraum. Den rechnet die Bezirksregierung auf mit dem neu auszuhebenden Hafenbecken; nicht mit dem ganzen, aber einfach soviel, damit es reicht. Nur blöde, daß dieselbe Bezirksregierung vor wenigen Jahren beim Zuschütten im Rheinauhafen gesagt hat, Hafenbecken wären überhaupt kein Retentionsraum. Lügen haben eben kurze Beine. Und gegen diese Vorteilsnahme sollte doch ein Gericht auch etwas sagen.

 

2. Dann ist da noch die Frage der Abflußwirkung. Immerhin werden ja Betonumrandungen, Schutzwände und eben jede Menge Container und jede Menge Schüttgut einem hochwasserführenden Fluß in den Weg gestellt und der reagiert halt mit einem höheren Wasserstand. Das ist so bei Hindernissen im Strom; das weiß jedes Kind, das mal im Rinnstein gespielt hat. Bei der Bezirksregierung gibt man vor es nicht zu wissen. Deshalb ignoriert man das Problem. Der Rhein wird das aber nicht tun. Er wird dort höher steigen als erwartet, und wenn wir Pech habe, wird er früher als nötig die chemische Industrie im Kölner Süden unter Wasser setzen mit allen Folgen, die so etwas auslösen kann. Schlimmstenfalls gibt es eine Umweltkatastrophe.

 

3. Weil besorgte Bürger im Erörterungstermin nicht glauben wollten, daß die Häfen + Güter AG im Katastrophenfall alle Container aus dem Hafen wird rausholen können, was diese vollmundig versprach, hat die Bezirksregierung auch dafür eine Lösung gefunden: Sie erlaubt der Hafengesellschaft einfach, die Container im Hochwasser stehen zu lassen. Sie soll sie nur am Wegschwimmen hindern. Prima  wir haben ja im März 2007 gesehen, wie leicht es ist, Container am Wegschwimmen zu hindern.

Ach ja  die Gefahrgutcontainer sollen aber dann doch rechtzeitig raus. Das war dem Regierungspräsidenten dann doch zu offen schwachsinnig, die auch noch im Risikogebiet zu lassen.

 

4. Daß im Landeswassergesetz das Lagern von Gefahrstoffen im Überschwemmungsgebiet grundsätzlich verboten wird, hat die Bezirksregierung schon mal vorsorglich übersehen. Man kann ja nicht den ganzen Tag mit dem Gesetz unter dem Arm herumlaufen.

 

4. Man könnte nun denken, wenn die Bezirksregierung so leichtfertig Risiken in die Welt setzt, würde sie wenigsten alles daran setzten, im Krisenfall hohe Standards zu fordern.

Aber nein, das wäre doch mit Arbeit verbunden.
Es reicht der Appell: Bei Gefahr ist alles Gefährliche ist "rechtzeitig wegzutransportieren" und alles Andere "gegen Abtreiben in den Rhein zu sichern". So, als wüßte man nicht, welch ein Chaos hier in der Stadt losgeht, wenn ein Hochwasser von bisher nicht gekannter Höhe droht. Schon bei 10,63 m Kölner Pegel an Weihnachten 1993 ging im Kölner Süden nichts mehr...

Und warum ist das so bedenklich, wenn der Regierungspräsident eine an sich nicht genehmigungsfähige Planung so lange zurechtbiegt, bis es läuft wie geschmiert ?


Nun, erstens ist ein Hochwasserschutz gegen ein Ereignis, das einmal in zweihundert Jahren erwartet wird, nicht gerade komfortabel im Verhältnis zu den Risiken und dem möglichen Schaden. Und zweitens wird von der seriösen Wissenschaft eine Erhöhung des Risikos durch den Klimawandel in Form verstärkter Winterniederschläge vorausgesagt. Im Klartext heißt das: Einmal in zweihundert Jahren ist nicht das wird öfter passieren!

 

Zu guter Letzt ist es auch noch fraglich, ob es klug ist, so bedingungslos auf die Binnenschifferei zu setzen. Versprechen uns die Klimaforscher doch neben dem erhöhten Hochwasserrisiko im Winter auch im Sommer mehr Extreme, also neben Starkregengüssen auch vermehrt Perioden von anhaltender Trockenheit. Und das bedeutet Niedrigwasser für den Rhein mit erheblichen Folgen für den Schifftransport: Verringerte Ladekapazitäten bis hin zu Einstellung des Verkehrs, weil die Pötte auf Grund laufen. Das fragt man sich natürlich auch, warum der Gutachter Baum davon noch nichts gehört hat. Vielleicht guckt der Verkehrswissenschaftler ja nicht über den Tellerrand?

Oh doch. Vor wenigen Tagen hat er sich im Kölner Stadtanzeiger zu den vorausgesagten Auswirkungen des Klimawandels geäußert: "...keine gesichterte Annahme, sondern Kaffeesatzleserei" 2).
Ja wenn das so ist dann sollte die Bundeskanzlerin bei Klimafragen doch in Zukunft bessser den Kölner Verkehrsfachmann fragen und sich die ganzen sündhaft teuren Max-Planck-Institute für Klima- und Wetterforschung doch gleich sparen. Könnte den Bundeshaushalt glatt sanieren.
Aber Spaß beseite, was soll man von einem Gutachter halten, der sich durch solche unqualifizierten Äußerungen auf Bildzeitungsniveau selbst demontiert? Ich glaube, er hat kein gutes Gewissen, weil er die Risikofrage laut HGK-Auftrag gar nicht erst untersuchen durfte.

 

Die zwei- bis dreihunderttausend von den Folgen dieser desaströsen Planerei betroffenen Kölnerinnen und Kölner aber sollten wenigstens eins nicht tun müssen:

In die Röhre gucken, wenn ihr Hab und Gut eines (unschönen) Tages nämlich Richtung Holland davonschwimmt, zusammen mit den vielen bunten Containern aus einem vollständig überfluteten Godorfer Hafen in einer Brühe aus Gefahrstoffen und losem Schüttgut. Zusehen müssen, wie Container in die noch stehenden Gebäude hineindonnern und den verleibenden Hochwasserschutzwänden den Rest geben: New Orleans am Rhein!

Es wird sie wenig trösten, daß dann auch die Wirtschaftlichkeit endgültig den Bach runtergeht und mit ihr ein Gutachten, das einen Haufen Geld gekostet hat und an das sich dann kaum mehr einer erinnert.

Wenn also heute schon von sachkundiger Bürgerseite die Verantwortlichen gebeten werden, nicht schuldig zu werden an der Tötung und Enteignung Tausender oder sollte man es gleich Anstiftung zum Mord nennen? - , dann sollte das Grund zur Umkehr sein und nicht zur Diffamierung.

 

Thomas Kahlix, Dipl.-Biologe

Bürgerinitiative Hochwasser Altgemeinde Rodenkirchen
www.hochwasser.de